Foto: Adobe Stock; (c) Robert Kneschke
Eine Angehörige erinnert sich an die ersten Schritte Richtung Pflegegeld. Es steht Menschen in Österreich zu, sobald sie mehr als 65 Stunden im Monat Unterstützung, Pflege und Betreuung brauchen. Ganz gleich, ob mittelfristig absehbar oder über Nacht akut. Betroffene sind oft überfragt. Unser Wegweiser für dich.
“Als der Papa begonnen hat, Sachen zu vergessen, war erst mal keine Rede von Hilfe, Unterstützung oder Pflege zuhause. Das alles war noch ganz weit weg.” Anna H. ist 45 Jahre alt, Lehrerin an einer Neuen Mittelschule in Niederösterreich. Langsam rührt sie den Milchschaum in ihrer Melange. Wenn sie heute an die Zeit zurückdenkt, in der sie bewusst zur pflegenden Angehörigen wurde, wirkt sie fast ein wenig wehmütig.
Alles änderte sich schlagartig, an dem Tag, an dem die NMS-Lehrerin ihren 78-jährigen Vater aus dem Supermarkt abholen musste. “Er war komplett durch den Wind. Sagte, er ist gerade im Supermarkt, weiß nicht, warum er da ist und wie er wieder heimkommt. Ich dachte, er hat einen Schlaganfall.”
Es war kein Schlaganfall, der Annas Vater verwirrte. Nach dem Vorfall überzeugt sie mit Hilfe ihres Mannes den allein lebenden Pensionisten, einen Gesundheitscheck zu machen. Denn Papas Wortfindungsstörungen, schwerfallende Orientierung und Antriebslosigkeit waren schon länger Thema. Bange Wochen der Ungewissheit und zeitraubende Termine folgten: Hausärztin, Neurologe, CT, Psychiater. Schlussendlich die Diagnose: leicht fortgeschrittene Demenz. Die fühlte sich fast wie eine Befreiung an, sagt Anna. “Man will ja wissen, was los ist.”
Es war die langjährige Hausärztin, die Anna über die Möglichkeit zum formlosen Pflegegeld-Antrag informierte. Sie erinnert sich dankbar: “Ich bin sicher, von alleine hätte ich damals noch keine Unterstützung beantragt. Ich dachte mir, das geht schon, irgendwie.”
Wie beschrieben, erleben es viele Angehörige pflegebedürftiger Menschen. Denn Annas dementer Vater ist kein Einzelfall. Derzeit gibt es in Österreich rund 450.000 Menschen, die Pflegegeld beziehen.
Pflegegeld ist als finanzielle Unterstützung für die Pflege und Organisation von Menschen gedacht, die auf Unterstützung im Alltag angewiesen sind. Diese Geldleistung bezieht sich auf das österreichische Bundespflegegesetz von 1993 und ist unabhängig von möglichen anderen Einkünften.
Als klar war, dass der Vater an Demenz erkrankt ist, startete ein Film in Annas Kopf. Mit ihrem Mann erhob sie Möglichkeiten, spielte eine Menge Szenarien durch. “Der Antrag auf Pflegegeld ist ja nur ein winziger Schritt in der Organisation. Wir haben gleich überlegt, was tun, wenn es schlimmer wird? Also Adressen und Kontakte für Seniorenwohnhäuser, für Pflege- und Altenheime zusammengetragen, die uns empfohlen wurden. Und dann gleich mal durchtelefoniert.”
Vorausschauend die richtige Entscheidung, denn Plätze in betreuten Einrichtungen sind knapp. Die überwiegende Mehrheit von pflegebedürftigen Menschen, es sind 85 Prozent, wird daheim gepflegt. Unterstützt werden diese Menschen – wie Annas Vater – meist von ihren pflegenden Angehörigen. Das macht Pflegeangehörige zu Österreichs “größtem Pflegedienst”.
Die gesetzlichen Voraussetzungen regeln bundesweit, wer Pflegegeld beziehen kann. Die Geldleistung unterstützt Menschen (unabhängig vom Alter), die
Pflegegeld kann deshalb sowohl für chronisch kranke Kinder als auch für erwachsene Personen beantragt werden. Unabhängig davon, ob der betreuungsbedürftige Mensch unmittelbar noch erwerbstätig war oder bereits in Pension ist.
Wo das Pflegegeld beantragt wird, hängt von der Lebenssituation des Pflegebedürftigen ab. Wer schon Pension oder Rente bezieht, reicht den Antrag beim gleichen Pensionsversicherungsträger ein, der auch Pension oder Rente auszahlt.
An diese Frage erinnert sich Anna gut zurück. “Mein Papa hat’s nicht so mit den Formularen”, lacht Anna und ergänzt, “den Antrag habe ich für ihn gestellt.” Der Antrag auf Pflegegeld kann also auch für pflegebedürftige Menschen gestellt werden. Übernehmen können das Familienmitglieder, Angehörige, Freunde, selbst Pflegerinnen oder Pfleger können da aushelfen.
Alle Formulare zum Download.
Der Pflegebedarf geht von der monatlichen Stundenanzahl aus, in der jemand Unterstützung braucht.
Es sind zeitlich unkoordinierbare Betreuungsmaßnahmen erforderlich – regelmäßig tagsüber und nachts. Oder die andauernde Anwesenheit einer Pflegeperson ist erforderlich, denn Eigen- oder Fremdgefährdung sind möglich.
Pflegebedarf | PF-Stufe | Beschreibung | Pflegegeld |
---|---|---|---|
> 65 h | 1 | Erforderliche Hilfe- und Betreuungsbedarf von mehr als 65 Stunden. | 157.30 € |
> 95 h | 2 | Notwendiger Hilfe- und Betreuungsbedarf größer als 95 Stunden. z.B. Lernschwäche und beginnende Demenz. | 290,00 € |
> 120 h | 3 | Notwendiger Hilfe- und Betreuungsbedarf von mehr als 120 Stunden. | 451,80 € |
> 160 h | 4 | Mehr als 160 Stunden Pflegebedarf bzw. bis zu fünf Mal ist Hilfestellung erforderlich | 677,60 € |
> 180 h | 5 | Bei außergewöhnlichem Pflegeaufwand. | 920,30 € |
> 180 h | 6 | Es sind zeitlich unkoordinierbare Betreuungsmaßnahmen erforderlich – regelmäßig tagsüber und nachts. Oder die andauernde Anwesenheit einer Pflegeperson ist erforderlich, denn Eigen- oder Fremdgefährdung sind möglich. | 1.285,20 € |
> 180 h | 7 | Es sind zeitlich unkoordinierbare Betreuungsmaßnahmen erforderlich – regelmäßig tagsüber und nachts. Oder die andauernde Anwesenheit einer Pflegeperson ist erforderlich, denn Eigen- oder Fremdgefährdung sind möglich. | 1.688,90 € |
Mit dem Antrag beginnt das Verfahren. Der nächste Schritt ist die Begutachtung durch einen Sachverständigen, der von der Pensionsversicherungsanstalt geschickt wird. Dieser klärt die Voraussetzung und Einstufungskriterien.
Ist der Antrag abgeschickt, empfiehlt sich Nachtelefonieren, rät Anna. “So konnte ich sicher sein, dass unser Antrag auch eingelangt war.”
Keine zwei Wochen nach Antragstellung flatterte der Termin zur Begutachtung mit der Post ins Haus.
Über die niederösterreichische Volkshilfe Zentrale hatte Anna zwischenzeitlich eine Heimhilfe organisiert, die unterstützend zweimal in der Woche für eine Stunde nach dem Papa sah. Sie fädelte dann auch ein, dass eine Pflegefachkraft mit von der Partie war, als die Sachverständige zum Begutachtungstermin kam. Für die Einstufung hilfreich war zudem das Attest vom Neurologen.
Nach dem Hausbesuch erstellt der Sachverständige ein Gutachten, das dem Pensionsversicherungsträger als Grundlage für seine Einstufung dient. Danach wird der Pflegegeldbescheid zugestellt.
Wird darin das Pflegegeld abgelehnt oder die erhoffte Pflegegeldstufe nicht erreicht, kann gegen den Bescheid Einspruch erhoben werden. Dazu informiert das Sozialministerium:
“Gegen den Bescheid kann Klage beim zuständigen Arbeits- und Sozialgericht eingebracht werden.”
Rechtliche Beratung bieten soziale Dienste, Arbeiterkammer, Wirtschaftskammer und Rechtsanwälte an.
Nachdem das Pflegegeld genehmigt wurde, wird es erstmals mit dem Monat ausbezahlt, das dem Antrag folgt. Anna stellte für ihren Vater den Antrag im März vergangenen Jahres. Das Pflegegeld wurde rückwirkend mit April ausbezahlt.
Wie geht es Annas Vater heute? Anna trinkt den letzten Schluck ihrer Melange. Dann sagt sie: Wir kümmern uns gemeinsam und sind froh, dass er noch stabil ist. Das Vergessen ist nicht schlimmer geworden. Auch die Frau Doktor sagt, er hält sich super.” Wie es weitergeht, weiß Anna nicht. Sie sagt, sie ist froh, jetzt Ahnung und einen Plan zu haben. “Es ist, wie es ist. Gegen’s Altern ist halt kein Kraut gewachsen.” Fest steht, ihren Humor, will sie sich nicht nehmen lassen.
Wohin wenden, wenn das Thema Pflege plötzlich im Raum steht? Wer Ansprechpersonen sucht, tausend Fragen hat und Antworten will, kann sich erste Unterstützung durch eine private Pflegeberatung, beispielsweise meinpflegegeld.at, holen.
Über den Verband der Österreichischischen Sozialversicherung gibt es einen Online Ratgeber. Die Interessensgemeinschaft Pflegender Angehöriger kann in allen Pflegefragen aushelfen und steht mit Rat und Tat zur Seite.
Im Sozialministerium ist wochentags, Montag bis Freitag von 8 bis 16 Uhr, das Pflegetelefon eingerichtet. Anrufer erhalten kostenlos Auskunft zu Pflege und Betreuung, Pflegegeld, soziale Dienste, notwendige Umbauten, Familienhospizkarenz, Pflege von Kindern, Pflegekarenz, Pflegeteilzeit, Arbeitsrecht für pflegende Angehörige, Förderungen, finanzielle Unterstützung und 24-Stunden-Betreuung. Das Sozialministerium fasst verfügbare soziale Dienste in Österreich in drei Datenbanken zusammen.
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