Legasthenie erkennen: Wenn Rechtschreibung stresst
Last Updated on: 29th Januar 2020, 03:51 pm

In der Schule lernen Kinder zwei Arten von Zeichen kennen: Buchstaben und Zahlen. Doch nicht alle kommen damit problemlos zurecht. Einige kämpfen mit einer Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS, Legasthenie oder Dyslexie/Dyslexia), andere mit einer Rechenschwäche (Dyskalkulie, Zahlenblindheit, Arithmasthenie). Fachgerechtes Training kann dabei helfen, die Ursachen für die Rechtschreibstörung herauszufinden und das Kind in die Lage versetzen, trotz Legasthenie eine erfolgreiche Schullaufbahn zu absolvieren. Wir verraten, wo du dein Kind auf LRS testen lassen kannst.
LRS – was ist das?
Bei der LRS oder Legasthenie handelt es sich um eine sogenannte Teilleistungsstörung. Während Legastheniker Schwierigkeiten haben, richtig zu lesen und zu schreiben, fehlt es Zahlenblinden am Verständnis für Ziffern und Mengen. Unbekannt bleibt bis dato, wodurch diese Störungen genau zustande kommen. Diskutiert wird eine multifaktorielle Genese, das heißt mehrere Einflüsse sollen bei ihrer Entstehung zusammenspielen.
Hat mein Kind eine Lese Rechtschreibschwäche?
Ob dein Kind unter Legasthenie leidet bzw. eine LRS hat, lässt sich nur durch einen Kinderpsychologen feststellen, der in diesem Bereich eine spezielle Ausbildung genossen hat. Du solltest allerdings aufmerksam werden und im Zweifelsfall das Gespräch mit der Schule bzw. dem Klassenlehrer suchen, wenn du folgende Anzeichen wahrnimmst. Dein Kind
- macht selbst bei eigentlich bekannten und geläufigen Wörtern Rechtschreibfehler.
- ist sehr unsicher im Lesen, stockt häufig und hat Schwierigkeiten, Wörter zu identifizieren.
- vertauscht Buchstaben in Wörtern oder auch Wörter in einem Satz.
- hat Schwierigkeiten, den Sinn eines (eigentlich altersgemäßen) Textes zu erfassen und diesen in eigenen Worten wiederzugeben.
LRS oder Legasthenie?
In diesem Artikel verwenden wir die Ausdrücke Legasthenie und LRS deckungsgleich, was medizinisch aber nicht ganz korrekt ist, da nicht jede Rechtschreibschwäche automatisch eine Legasthenie ist. Legasthenie gilt im Allgemeinen als Lese-Rechtschreib-Störung, die entweder schon als Anlage mitgebracht wird (genetisch) oder in frühkindlicher Entwicklung entsteht.
Eine Rechtschreibschwäche, die durch mangelnde Begabung, unzureichende Beschulung oder in irgendeiner Form beeinträchtigte Sinne entsteht, gilt normalerweise nicht als Legasthenie. In der Praxis ist die genaue Unterscheidung jedoch schwierig und erst infolge der Diagnose durch einen Spezialisten möglich.

Woher kommt die LRS?
Einige Forscher ziehen als Ursache der Rechtschreib- und Leseschwäche eine gestörte Verarbeitung sprachlicher und visueller Informationen im Gehirn in Betracht, die auf einer Schädigung der linken Hirnhälfte (Sitz der Zentren für Sprachverständnis und -bildung) vor oder während der Geburt beruhen könnte. Andere Fachleute machen für die Lese-Rechtschreib-Schwäche eine erbliche Veranlagung (z.B. das DCDC2-Gen) verantwortlich, da sie familiär gehäuft auftritt.
Wieder andere wissenschaftliche Erklärungsmodelle sprechen von neurologischen Funktionsstörungen (z.B. unterentwickelte Hemisphärendominanz), Gedächtnisdefiziten, Problemen bei der Verarbeitung von Wahrnehmungen wie Phonemen (Sprachlauten) oder auch bestimmten Leselern- und Rechtschreibmethoden.
Legasthenie – Was passiert im Gehirn?
Schwierigkeiten beim Lesen (Dyslexie) oder Probleme beim Rechtschreiben beweisen noch nicht zwingend das Vorliegen einer Legasthenie oder LRS. Auch Krankheiten (.B. durch eine Hirnschädigung bedingte Dysgraphie = mangelnde Schreibfähigkeit), ein Intelligenzdefizit oder fehlende adäquate Förderung können die Lese- und Schreibfähigkeiten beeinträchtigen. Bei einer echten Legasthenie handelt es sich aber um eine bestimmte gestörte Entwicklung dieser Fertigkeiten. Entsprechend plagen sich Legastheniker, Gehörtes richtig zu schreiben und Geschriebenes richtig zu lesen.
Stiefschwester Dyskalkulie
Weniger bekannt als die LRS ist die Rechenschwäche oder Dyskalkulie. Sie kommt zwar hauptsächlich in den naturwissenschaftlichen Fächern zum Vorschein, ruft bei betroffenen Kindern aber die gleichen Misserfolgserlebnisse und Ängste hervor wie die Legasthenie. Anders als der Begriff Zahlenblindheit vermuten lässt, beeinträchtigt diese Teilleistungsstörung neben dem Zahlen- und Mengenverständnis auch das räumliche (Größen, Formen, Distanzen) und zeitliche Vorstellungsvermögen. Genauere Infos hierzu findest du in unserem Artikel Dyskalkulie! Mein Kind kann nicht rechnen!
Wie kann ich eine LRS erkennen?
Rund zehn Prozent der österreichischen Bevölkerung kämpfen mit einer LRS bzw. mit Legasthenie. Das Verhältnis von männlich zu weiblich beträgt zwei zu eins. Legasthenie tritt in der Regel bis spätestens zum fünften Schuljahr in Erscheinung. Der Verdacht auf LRS ist allerdings nur dann begründet, wenn die Anzeichen unter zwei bestimmten Voraussetzungen auftreten:
- Es erfolgt ein kontinuierlicher, normaler Unterricht.
- Es liegt keine Behinderung (zum Beispiel unzureichend behandelte Seh- oder Hörschwäche) oder Krankheit des Betroffenen vor, die seine erfolgreiche Teilnahme am Unterricht (zum Beispiel aufgrund langer Fehlzeiten) erschwert.
Wie kann man eine LRS feststellen?
Haben Eltern den Verdacht, ihr Nachwuchs könnte unter einer LRS leiden, können sie zunächst orientierende Testfragen zur Lese-Rechtschreib-Schwäche durchgehen. Zuallererst aber müssen andere (medizinische und psychologische) Ursachen für die Fehlleistungen ausgeschlossen werden (z.B. ein beeinträchtigtes Seh- oder Hörvermögen, Entwicklungsstörungen, eine Intelligenzminderung oder ein Aufmerksamkeitsdefizit). Zu diesem Zweck sollte zunächst ein Kinderarzt aufgesucht werden. Wird nichts dergleichen gefunden, können standardisierte und normierte Tests Aufschluss darüber geben, ob tatsächlich eine LRS/Legasthenie vorliegt.

Wer darf LRS diagnostizieren?
Um die Möglichkeit einer Fehldiagnose auszuschließen, sollte die Störung von speziell dafür ausgebildeten Psychologen (Kinderpsychologen) festgestellt werden. Häufig fallen betroffene Kinder bereits im Zuge der sogenannten Screening-Tests zu Beginn der zweiten Klasse auf. Für eine gesicherter Diagnose sind jedoch detailliertere Tests erforderlich, die unter anderem einen allgemeinen Intelligenztest, Konzentrationsübungen, Zeichentests und Lese- sowie Schreibproben umfassen. Durchgeführt werden entsprechende Tests zum Beispiel vom Kinderpsychologischen Zentrum in Mödling.
Wien – Wo kann man LRS testen lassen?
Wenn du den Verdacht hast, dass dein Nachwuchs unter einer Rechtschreibschwäche leiden könnte, solltest du lieber auf Nummer sicher gehen und bei einem Kinderpsychologen vorstellig werden, der auf Lernprobleme dieser Art spezialisiert ist. In Wien und Umgebung kennen sich z.B. folgende Psychologen und Psychologinnen mit der Störung und ihrer Diagnostik aus:
- Mag. Dr. Alexandra Kreuz, 1110 Wien
- Dr. Hannelore Steinböck, 1150 Wien
- Kinderpsychologisches Zentrum, 2340 Mödling
- Dipl. Pädagogin Christine Daniel, 1140 Wien
- Mag. Alexandra Antoniades, 1130 Wien
- Mag. Andrea Weiser, 1140 Wien
- Lernerei Mag. Sonja Leitner, 1080 Wien
- Mag. Angela Kath-Zierhut, 1090 Wien
LRS – Wie können Eltern helfen?
Die Lese-Rechtschreib-Schwäche ist KEIN Zeichen mangelnden Willens, fehlender Anstrengung oder gar verminderter Intelligenz. Legastheniker unterscheiden sich nur in einem von anderen Menschen: Sie haben, in mehr oder minder ausgeprägter Form, Schwierigkeiten, richtig zu lesen und zu schreiben. Genau das macht ihnen aber das Leben schwer, denn unser Bildungssystem beruht hauptsächlich auf diesen Fähigkeiten. Die Folgen sind absehbar: schlechte Noten in Fächern, bei denen es auf Texte ankommt (z.B. Sprachen), bis hin zur Schulangst oder gar Schulverweigerung.
Hinzu kommen seelische Auswirkungen wie z.B. die Entwicklung emotionaler Störungen aufgrund von Hänseleien oder sogar Mobbing durch Mitschüler. Aus diesem Grund sollten Eltern mit ihrem Nachwuchs nicht nur gewissenhaft die Übungen absolvieren, die in der LRS Förderung empfohlen werden, sondern sie sollten auch versuchen, das Selbstbewusstsein des Kindes zu stärken.

Dies gelingt, indem Stärken in anderen Bereichen (beispielsweise im Sport oder in kreativen Hobbys) betont und gefördert werden. Auf diese Weise werden Erfolgserlebnisse geschaffen und der Kummer über die LRS tritt in den Hintergrund. Außerdem ist es wichtig, dass Eltern auch kleine Erfolge loben und ihrem Sohn oder ihrer Tochter niemals das Gefühl geben, dass sie enttäuscht sind.
LRS – Was muss die Schule tun?
Eine unzureichende Förderung in Familie und Schule kann eine Legasthenie verstärken. Aus diesem Grund umfasst die Behandlung nicht nur die Aufklärung der Eltern, sondern auch die Aufklärung und Instruktion der Schule bzw. an Schulen generell. Lehrkräfte sollten in speziellen Übungen für betroffene SchülerInnen geschult und es sollten Förderkurse angeboten werden. Ausgebildete Legasthenie-und-LRS-TrainerInnen helfen Schulen dabei, entsprechende Strukturen auszuarbeiten und umzusetzen.
Hier findest du Legasthenietrainer in deinem Bundesland:
Weiterführende Links:
Erster Österreichischer Dachverband Legasthenie
LRS – Zentrum für Lernförderung – Kurztest