Dyskalkulie erkennen: Test, Benotung, Förderung
Last Updated on: 1st Februar 2021, 11:27 am
Früher dachte ich, ich sei der einzige Mensch mit Angst vor Zahlen. In meiner Klasse gab es zwar ein Kind, das nicht ordentlich schreiben konnte, und statt einer Deutschnote Legasthenie im Zeugnis stehen hatte, mir aber glaubte niemand, dass selbst die einfachsten Rechenaufgaben mich in tiefste Verwirrung stürzten. Heute weiß man, dass die Dyskalkulie, die kleine Schwester der LRS, sehr wohl existiert. Aber wie gehen Eltern und Lehrer mit der Rechenschwäche um? Welche Fördermöglichkeiten gibt es? Und was bedeutet Dyskalkulie für den Alltag in der Schule?
Dyskalkulie – was ist das?
Zu sagen, dass Kinder mit Dyskalkulie nicht rechnen können, ist eine grobe Vereinfachung. Tatsächlich handelt es sich bei der Rechenschwäche nämlich um eine körperlich bedingte fehlerhafte Sinneswahrnehmung, die auf ungleichen Hirnleistungen beruht. Entgegen der landläufigen Meinung macht sich Dyskalkulie also nicht nur in der Mathematik bemerkbar, sondern überall dort, wo es um logisch-mathematische Sachverhalte geht.
Menschen mit Dyskalkulie haben also nicht nur Schwierigkeiten damit, grundlegende Rechenfertigkeiten wie Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division zu erlernen, sondern es ergeben sich häufig auch Probleme im räumlichen und zeitlichen Vorstellungsvermögen (Größen, Formen, Distanzen usw).
Dyskalkulie Definition laut WHO
Die Weltgesundheitsorganisation erkennt Dyskalkulie als schulische Entwicklungsstörung an. In der Internationalen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme ist die Rechenschwäche wie folgt definiert: “Diese Störung bezeichnet eine Beeinträchtigung von Rechenfertigkeiten, die nicht allein durch eine allgemeine Intelligenzminderung oder eine unangemessene Beschulung erklärbar ist. Das Defizit betrifft vor allem die Beherrschung grundlegender Rechenfertigkeiten wie Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division.“
Dyskalkulie – was passiert im Gehirn?
Laut Experten sind die numerischen Fähigkeiten weitgehend unabhängig sowohl von der Intelligenz als auch von den sprachlichen Kompetenzen. Sie bilden also einen eigenständigen Bereich unserer kognitiven Begabung. Die Ursachen für Dyskalkulie sind zwar noch nicht hinreichend erforscht, doch man geht von einer Kombination unterschiedlicher Faktoren aus, durch die sich die Rechenstörung entwickelt.
Allerdings haben Studien gezeigt, dass die für diesen Bereich zuständigen Hirnregionen eines Kindes mit Dyskalkulie in der Regel untypisch entwickelt sind. Um mathematische Aufgaben zu lösen und die Grundrechenarten anzuwenden, müssen mehrere Gehirnregionen reibungslos zusammenspielen.
Bei Betroffenen mit dieser Störung ist das jedoch nicht der Fall, weil die für das numerische Mengenverständnis zuständigen Hirnregionen untypische Aktivitäten zeigen. Darüber hinaus weisen häufig auch jene Regionen Veränderungen auf, die für das Verständnis von Zahlenräumen und die Verarbeitung von Faktenwissen zuständig sind.
Ist Dyskalkulie angeboren?
Es konnte bisher zwar kein genetischer Faktor isoliert werden, der Dyskalkulie bedingt, eine erbliche Komponente gilt aber trotzdem als wahrscheinlich. Zwillings- und Familienstudien haben gezeigt, dass die Rechenschwäche, in unterschiedlichen Ausprägungen, häufig mehrere Mitglieder einer Familie betrifft.
Entwicklungsbedingte Ursachen für Rechenstörung
Bei der Entwicklung der mathematischen Kompetenz knüpfen Kinder an bereits Erlerntes an. Bei der Entwicklung von Rechenfertigkeiten besteht dieses “Basiswissen” vor allem aus Systematiken, in die Erlebtes eingeordnet wird, allgemeingültigen Festlegungen (z.B. Verwendung bestimmter Zeichen und Symbole) sowie logischen Konzepten und Regelsystemen. Liegen hier Defizite vor, erlernt das Kind den Umgang mit Zahlen und Rechenoperationen gleichsam auf einer wackeligen Grundlage. Die Folge sind dauerhaft eingeübte Fehler und (häufig) lebenslange Schwächen in der Rechenleistung.
Dyskalkulie erkennen – Symptome
Die Teilleistungsstörung Dyskalkulie beeinträchtigt neben dem Zahlen- und Mengenverständnis auch das räumliche und zeitliche Vorstellungsvermögen. Kinder und Erwachsene mit Rechenschwäche können folgende Symptome zeigen:
- Schwierigkeiten beim Zählen und/oder Rückwärtszählen
- Zuhilfenahme der Finger für einfache Rechenaufgaben
- trotz Nachhilfestunden enorm hoher Zeitaufwand für die Bewältigung von Grundrechnungsarten/Übungen im Einmaleins
- kein Verständnis für Rechensymbole (Plus-, Minus-, Divisions- und Malzeichen) bzw. werden diese nicht erkannt
- Zahlen werden verdreht, ausgelassen (z.B. 56 statt 65), Ziffern beim Abschreiben falsch wiedergegeben, seitenverkehrt geschrieben oder mit ähnlichen klingenden/ähnlich aussehenden Zahlen verwechselt
- Unfähigkeit, Zwischenergebnisse im Kopf zu speichern,
- Schwierigkeiten mit Zahlenreihen und Textaufgaben
- kein Verständnis für logische Zahlenreihen
- häufig Schwierigkeiten, den Tages-, Wochen- oder Jahresverlauf logisch nachzuvollziehen
- Schwierigkeiten, sich anhand von Karten zu orientieren oder in Tabellen zurechtzufinden
Dyskalkulie Test
Zum Leidwesen vieler Eltern und Lehrer ist die Dyskalkulie eine sogenannte entwicklungsstabile Störung, was bedeutet, dass sie sich mit zunehmendem Alter nicht von selbst bessert. Ohne frühzeitige Diagnose und enge Zusammenarbeit zwischen der Schule und den Eltern betroffener Kinder werden die Probleme im Laufe der Zeit immer größer, da mathematische Kompetenzen aufeinander aufbauen. Werden die Lücken im Leistungsstand nicht frühzeitig geschlossen, sind keine weiteren Lernfortschritte möglich.
Wer kann Dyskalkulie feststellen?
Die Verantwortung liegt bei Eltern und Schule gleichermaßen. Allerdings sind die Lehrer normalerweise diejenigen, die einschätzen können, ob es sich lediglich um leicht verzögertes Lernen handelt, oder ob tatsächlich eine Störung vorliegt, die behandelt werden muss. Spätestens im Zuge der Leistungsüberprüfung in der Volksschule sollten entsprechende Defizite auffallen.
Das Verständnis für die Rechenschwäche ist an den österreichischen Schulen zwar noch nicht so ausgeprägt wie jenes für Legasthenie, doch die Bundesländer sind stark am Nachbessern. So hat das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung eine entsprechende Handreichung für die Schulische Behandlung der Rechenschwäche veröffentlicht. Die Handreichung gibt Lehrkräften Antworten auf folgende Fragen:
- Wie erkenne ich ein rechenschwaches Kind?
- Wie kann ich ein rechenschwaches Kind fördern?
- Welche Dyskalkulie Fördermöglichkeiten gibt es?
- Wo hört meine Verantwortung auf, was müssen die Eltern leisten?
- Wie kann ich die Eltern in die Lernförderung einbeziehen?
Wer darf Dyskalkulie diagnostizieren?
Die Handreichung für die Schulische Behandlung der Rechenschwäche enthält eine detaillierte Anleitung zur Leistungsfeststellung und Leistungsbeurteilung inklusive Checkliste und Anleitung für die pädagogische Diagnostik. Entsprechende Dyskalkulie Tests finden normalerweise in der Schule statt und werden in Anwesenheit eines Schulpsychologen durchgeführt. Je nach dem, wie das Testergebnis ausfällt, setzen Lehrer und Eltern sich anschließend zusammen und beraten gemeinsam, welche Fördermöglichkeiten es gibt es und welche Strategien für das jeweilige Kind am besten geeignet sind.
Wer bezahlt Dyskalkulie Test?
Bei begründetem Verdacht übernimmt die Österreichische Sozialversicherung die vollen Kosten für den Dyskalkulie Test. Dies gilt aber nur, wenn der Test durch einen klinischen Psychologen vorgenommen wird. Die Kostenübernahme beschränkt sich allerdings auf die Diagnostik. Die anschließende Förderung des Kindes durch Legasthenie- bzw. Dyskalkulietrainer wird von der Sozialversicherung nicht bezahlt.
Eine Ausnahme von dieser Regelung besteht nur dann, wenn die Teilleistungsstörung nicht isoliert auftritt, sondern der/die Betroffene unter einer komorbiden Störung leidet, die eine Krankenbehandlung erforderlich macht. Eine solche komorbide Störung liegt beispielsweise vor, wenn zusätzlich zur Rechenschwäche motorische Entwicklungs- oder auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen, ADHS oder Ähnliches diagnostiziert wurde.
In einem solchen Fall übernimmt die Krankenkasse die Kosten für die Krankenbehandlung durch den Kinderarzt, Logopäden, Ergotherapeuten oder Kinderpsychotherapeuten. Mehr Informationen zur Frage der Kostenübernahme findest du hier.
Wie wird Dyskalkulie behandelt?
Eine Rechenschwäche bessert sich nicht dadurch, dass man dem Kind zusätzliche Übungen gibt oder es Nachhilfe nehmen lässt. Bei Kindern mit Dyskalkulie mangelt es an den Grundlagen. Eine sinnvolle Förderung setzt daher bei einer Analyse der Lösungs- bzw. Rechenwege an, die das Kind anwendet. Nur auf diese Weise gelingt es, den Stand des mathematischen Wissens und den Grad des Verstehens nachzuvollziehen. In der Dyskalkulie Therapie werden Kinder daher dazu aufgefordert, laut zu denken oder dem Lehrer/dem Dyskalkulie-Trainer ihren Lösungsweg anhand von Materialien zu erklären.
Dyskalkulie Förderung Wien
Dyskalkulie Förderung wird häufig von Psychologen beziehungsweise Kinderpsychologen angeboten. Es gibt aber auch spezielle Nachhilfe-Angebote, die auf Kinder mit Rechenschwäche spezialisiert sind. Sobald die Denkprozesse des Kindes analysiert wurden, beginnt eine maßgeschneiderte Förderung, die an den individuellen Lernvoraussetzungen des Schülers oder der Schülerin orientiert ist.
Diese Förderung kann parallel zum Unterricht erfolgen, sofern die Rechenschwäche früh genug diagnostiziert wurde. Beginnt die Dyskalkulie Förderung jedoch erst in einer höheren Schulstufe, ist häufig ein mathematischer Neuaufbau erforderlich. Wir haben recherchiert, welche Möglichkeiten es für Dyskalkulie Förderung in Wien gibt.
- Mag. Dr. Alexandra Kreuz (diplomierte Dyskalkulietrainerin), 1110 Wien
- IMF Lernhilfe e.U., 1020 Wien
- Mag. Alexandra Antoniades (Psychologin, Kinder- und Jugendpsychotherapie), 1130 Wien
- Lernen 8 (Gesellschaft für ergänzenden Unterricht), 1080 Wien
- Christiane Daniel (Diplom Pädagogin), 1140 Wien
Dyskalkulie – wie wird benotet? Österreich
In Sachen Dyskalkulie Anerkennung durch die Schulen hat sich in den letzten Jahren sehr viel getan. Während die Rechenschwäche früher nicht als Entwicklungsstörung anerkannt und, im Gegensatz zur Legasthenie, in der Leistungsbeurteilung nicht berücksichtigt wurde, gibt es heute neue Richtlinien für den Umgang mit Dyskalkulie an Österreichs Schulen.
Zwar werden auch Kinder mit diagnostizierter Rechenschwäche nach den Richtlinien des Schulunterrichtsgesetzes beurteilt, doch die Lehrer haben die Möglichkeit, die Kriterien für die Beurteilung entsprechend anzupassen. Man spricht in diesem Zusammenhang also von einer störungsbezogenen Ausschöpfung der Kriterien zur Leistungsbeurteilung.
Das bedeutet, dass vor allem jene Bereiche des Unterrichts herangezogen werden, die von der Rechenschwäche nicht betroffen sind. So werden Kinder mit Dyskalkulie vorrangig nach ihrer mündlichen und praktischen Mitarbeit beurteilt, während schriftliche Leistungen weniger gewichtet werden. Auch die jeweiligen Fortschritte in der Dyskalkulie Therapie fließen in die Leistungsbeurteilung mit ein.
Dyskalkulie – wie kann ich meinem Kind helfen?
Für die betroffenen Kinder bedeutet die Dyskalkulie nicht nur kontinuierliche Misserfolgserlebnisse, sondern es baut sich auch zunehmend ein seelischer und sozialer Druck auf, der manchmal durch Mobbing verstärkt wird. Eine nicht therapierte Rechenschwäche resultiert häufig in einem generellen Leistungsabfall, da das Kind denkt, es sei ganz einfach “zu dumm” für die Schule.
Angst vor den Mathestunden und in manchen Fällen sogar eine ausgeprägte Schulangst sind die Folgen. Es kann daher sinnvoll sein, neben der Dyskalkulie Förderung noch eine begleitende psychologische Betreuung ins Auge zu fassen.
Wenn das Kind aufgrund der Rechenschwäche bereits sekundäre Symptome wie Leistungsabfall in anderen Schulfächern, generelle Schulunlust, Selbstwertprobleme oder andere Verhaltensauffälligkeiten zeigt, ist das Gespräch mit einem Kinderpsychologen auf jeden Fall angeraten.
Die bestbewerteten Kinderärzte in deinem Bundesland: